Die Pandemie hat die Digitalisierung beschleunigt – aber auch die Gleichstellung von Frau und Mann in der digitalen Gesellschaft? Das haben führende Expertinnen beim fünften Online-Dialog #DIGITALESHESSEN am Donnerstag diskutiert. Eingeladen haben die Hessische Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung, Prof. Dr. Kristina Sinemus, und Prof. Dr. Martina Schraudner, Vorstand von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften. Gemeinsam mit Iris Plöger aus der BDI-Hauptgeschäftsführung, Prof. Dr. Ira Diethelm aus dem Präsidium der Gesellschaft für Informatik und Verena Brodbeck, Mitbegründerin der Techettes Frankfurt, diskutierten sie die Fragen: Was muss sich ändern, dass Frauen MINT-Laufbahnen einschlagen und digitale Technologien prägen? Und wie schließen wir die Digital Gender Gap? Moderiert hat Hülya Deyneli, Moderatorin der Hessenschau.
„Die IT-Branche und Informatik sind heute männlich geprägt“, sagte Ministerin Sinemus. „Wenn wir nicht aufpassen, werden Frauen dadurch benachteiligt. Denken Sie an Künstliche Intelligenz, die zunehmend bei der Kreditvergabe oder bei der Personalauswahl für Jobs unterstützt. Wenn ein Mann die KI programmiert, kann er – bewusst oder unbewusst – Kriterien anlegen, die diskriminieren oder auf Stereotypen beruhen. Das sollten wir verhindern und ändern. Deshalb fördern wir Mädchen und Frauen, wo es nur geht, damit sie sich für IT begeistern und selbst digitale Technologien gestalten. Wir haben dafür zum Beispiel die Initiative „Women Go Digital“ gestartet.“ Mit der Initiative vernetzt die Hessische Digitalministerin Frauen in der IT, motiviert sie in den IT-Bereich einzusteigen und schafft Rollenvorbilder, an denen sich Mädchen und Frauen orientieren können.
acatech-Vorstand Prof. Dr. Martina Schraudner beleuchtete die Gründe für eine geringere Teilhabe von Frauen an der Digitalisierung. „Frauen sind nicht weniger digitalfähig, sie bewegen sich in einem anderen gesellschaftlichen Umfeld“, betonte Schraudner. „Wir brauchen aber auch die Perspektiven von Frauen, um bessere digitale Angebote entwickeln zu können.“ Der Anteil von Frauen in der Digitalbranche müsse deshalb gezielt erhöht werden: „Chancen ergeben sich für Frauen dann, wenn sie die digitale Transformation aktiv gestalten.“
Es braucht mehr weibliche Rollenvorbilder
Iris Plöger aus der Hauptgeschäftsführung des BDI legte einen Fokus auf die Digitalwirtschaft. „Der Handlungsbedarf für mehr Frauen in der Digitalwirtschaft ist groß im Wettstreit um globale digitale Technologieführerschaft und Fachkräfte“, sagte sie. Aktuell liegt Deutschland mit einem Frauenanteil von knapp 17 Prozent in der IT-Branche in Europa auf einem der Schlussplätze. Die Politik hat die Aufgabe, Mädchen und Frauen in allen Lebensphasen gezielt zu unterstützen. In Wirtschaft und Gesellschaft braucht es mehr weibliche Rollenvorbilder, gegenseitige Achtsamkeit gerade in der Datenverarbeitung und digitale Diversität. In einem breiten Netzwerk aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft fördert die Initiative #SheTransformsIT den notwendigen Mentalitätswechsel für mehr Frauen in der Digitalisierung.“
Prof. Dr. Ira Diethelm aus dem Präsidium der Gesellschaft für Informatik forderte eine Pflichtfach Informatik für Mädchen (und alle anderen Kinder). „Wir dürfen nicht länger Eltern gestatten, ihre Töchter vom Informatikunterricht fernzuhalten. Denn nur, wer die Systeme versteht, kann sie beherrschen.“
Verena Brodbeck von den Techettes Frankfurt berichtete aus der täglichen Praxis und ihrer Erfahrung als Förderin. „Es gibt wahrscheinlich viel mehr tech- und digitalaffine Frauen, als Statistiken vermuten lassen. Wir müssen das versteckte Talent und Interesse nur finden und hervorlocken. Das schaffen wir mit Mut machenden Vorbildern, überzeugenden beruflichen Perspektiven und begeisternden Initiativen.“ Die Techettes sind eine lokale elokale Community in Frankfurt und in der Rhein-Main-Region, die Frauen den Zugang zu technischem Schlüsselwissen ermöglicht und das kreative Potential von Tech und technischen Berufen aufzeigt.
Zum Online-Dialog #DIGITALESHESSEN:
In der Corona-Pandemie zeigt sich: Die Digitalisierung erhöht ganz maßgeblich die Widerstands- und Anpassungsfähigkeit. Die Corona-Krise hat den Nutzen der Digitalisierung deutlich gemacht, aber auch gezeigt, wo noch Gestaltungsspielräume sind. Konkrete Beispiele digitaler Veränderungsprozesse und Fragen digitaler Souveränität stehen deshalb im Mittelpunkt der Dialogreihe #DIGITALESHESSEN. Die Hessische Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung, Prof. Dr. Kristina Sinemus, und acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, laden in regelmäßigen Abständen dazu ein, mitzumachen und mitzudiskutieren. Bisherige Themen waren: „Digitale und resiliente Städte und Kommunen“, „Unternehmen – digital, auf Abstand, produktiv“, „Corona – Turbo oder Bremsklotz für Gründer?“ und „Gesundheit: Bringt Corona die digitale Medizin?“.